Arte Hotel Bregaglia

Samstag 7. Juni und Sonntag 8. Juni 2014

Präsentation der Neuerscheinung «Arte Hotel Bregaglia 2010-2013»

‹Peperoni›

Judith Alberts dritte Videoarbeit in der Eingangshalle des Hotels Bregaglia ist ähnlich wie die beiden vorherigen: schlicht und dennoch enorm expressiv. ‹Peperoni› wurde erstmals in der Einzelausstellung der Künstlerin «Tamed Light» 2009/10 im Kunstmuseum Luzern gezeigt. Der Fokus der Videokamera ist auf ein weisses, rundes Tischchen gerichtet, auf dem sich vier rote und eine grüne Peperoni sowie ein Messer befinden. Der Hintergrund ist undefiniert, das fokussierte Geschehen kann somit überall und zugleich an keinem bestimmten Ort stattfinden. Die kräftig bunten, ja saftig anmutenden Farben der Peperonischoten, die sich in der Messerklinge spiegeln, kontrastieren stark mit Tisch und Hintergrund. Was unsere Augen allmählich beruhigt, den Verstand aber reizt, ist die Begebenheit: Obwohl wir das Bild spontan in einem Innenraum ansiedeln, fallen grosse Schneeflocken auf die wärmeliebenden Schoten, bis sie kaum mehr zu sehen sind. Das Paradoxon lebt nicht nur davon, dass unser Sehrepertoire kaum das Bild einer Lebensmittelzubereitung im Schnee enthält, sondern wird auch vom visuellen Kontrast genährt: Beim Anblick der roten und grünen Peperoni wird uns warm, das Rot erinnert gar an die Schärfe der verwandten Chili, der Schnee hingegen macht uns frösteln.


Die Inszenierung der Lebensmittel und des Messers auf einem Tisch an sich entspricht jedoch nicht nur unserem Sehrepertoire, sondern auch einer Bildgattung: dem Stillleben. In diesem Fall sogar einem bestimmten Gemälde: Judith Albert überträgt Felix Vallottons ‹Poivrons rouges› von 1915 in das zeitgenössische Medium Video. Vallottons Bild enthält wie viele Stillleben ein Memento mori, eine Mahnung an unsere Vergänglichkeit. Die Spitze des Messers leuchtet rot, was wir mit Blut, mit Gewalt und Tod assoziieren, obwohl sich nur eine Peperoni darin spiegelt und das Tafelmesser überhaupt ein recht ungefährlicher Alltagsgegenstand ist. Diese dramatische Lesart des starren Bildes setzt das Video in Bewegung. Sie wird allerdings im doppelten Sinn durch den Schnee entschärft, der allmählich den Tisch bedeckt: Der kalte Schnee kühlt und beruhigt das feurige Rot, die Farbe der Hitze und des Blutes. Wie ein Leichentuch? Wir sind gebannt und verstört zugleich: Setzt Judith Albert noch ein Memento mori drauf, erzählt sie eine Geschichte zu Ende, die wir uns nur einbilden, oder spielt sie einfach mit Gegensätzen und ironisiert die Bilddeutungen in unserem Kopf? Die Interpretationen sind frei – Judith Alberts einfache Bildwelt löst komplexe Assoziationen und unterschiedlichste Gefühle aus.