Arte Hotel Bregaglia

Samstag 7. Juni und Sonntag 8. Juni 2014

Präsentation der Neuerscheinung «Arte Hotel Bregaglia 2010-2013»

‹Walking stick›

Das Val Bregaglia war früher ein bedeutendes Durchgangstal der Region. Heute zieht es vor allem Bergtouristen an, die in der hochalpinen Umgebung einen Ausgleich zu ihrem Arbeitsleben suchen. Das Tal bietet viele Möglichkeiten für Wanderungen, anspruchsvolle Klettertouren oder erholsame Spaziergänge im frischen Alpenklima. Der heute als hervorragender Reisebuchverfasser bekannte Iwan Tschudi schrieb 1868 über das Bergell, es ziehe sich «als wald- und weidenreiches Tobel 5 Stunden lang gegen Chiavenna hin.» Gut, wer auf einer solchen Wanderung einen Wanderstab dabei hat …
Not Vital, der in Sent, New York, Beijing und Agadez (Niger) arbeitet, hat einen gefertigt. Der im Treppenhaus des Hotels ausgestellte ‹Walking stick› ist aus Chromstahl gefertigt und entspricht auch aufgrund seiner Grösse nicht gewöhnlichen Wanderstöcken: Er ist 3,49 Meter lang! Ein Stab für einen Riesen mit Siebenmeilenstiefeln? Oder ein Zeichen dafür, wie gross die Distanzen sind, die wir heute in kürzester Zeit zurücklegen, und wie unverwüstlich und leistungsstark unsere Transportmittel?


Wie bei vielen seiner Skulpturen greift Not Vital mit ‹Walking stick› ein Motiv aus seiner alpinen Heimat auf und wie immer strebt auch dieses Werk eine hohe Materialästhetik an. Den Wanderstab selbst gibt es in ähnlicher Ausführung doppelt: In Beijing stellte Not Vital 2012 einen sogar 7,77 Meter hohen Stab auf. ‹Leading the way› ist ebenfalls aus Chromstahl und mit seiner Höhe ein veritabler Blickfang. Hier wird der Wanderstock zum Wegweiser, der Weg zum Ziel. Not Vital findet in seinen Werken eine Sprache, die auf der ganzen Welt verstanden wird. Sie vermag Sent mit Promontogno ebenso wie mit der chinesischen Metropole Beijing zu verbinden.


‹Walking stick› steht auch für eine Richtung des zeitgenössischen Skulpturverständnisses: Während viele Kunstschaffende das Bergell als Landschaft in Gemälden, Zeichnungen oder Fotografien festhalten, lenkt Not Vital den Blick auf ein Objekt, das aus diesem Lebensraum stammt oder damit verbunden ist. Indem er Abbildungen oder Abgüsse von meist natürlichen Objekten – wie Körperteilen, Ästen oder in diesem Fall Holz – in Bronze, Gold, Stein oder hier Chromstahl umsetzt, verleiht er den vergänglichen Objekten im neuen Material Dauerhaftigkeit – hier auch eine andere Grösse – und gibt ihnen so einen neuen Wert. Damit erzeugt er nicht nur eine Veränderung ihrer Bedeutung in der Betrachtung und Interpretation, sondern auch der Wertschätzung gegenüber dem Objekt an sich – dem künstlerischen wie dem natürlichen.