12.05.12 bis 09.06.12
Wiedemann/Mettler - with a view
Pascale Wiedemann und Daniel Mettler arbeiten seit 2001 gemeinsam als Künstlerpaar wiedemann/mettler. Charakteristisch für ihr Schaffen: Sie fügen vorgefundene Alltagsobjekte entweder neu zusammen oder verfremden diese mit subtilen Eingriffen. Dadurch erhalten die aus Gebrauchsgegenständen neu entstandenen Werke stets auch eine gesellschafts und sozialkritische Konnotation. Formal ebenso wichtiger Teil der Arbeit ist die inszenierte Fotografie ihrer meist raumgreifenden Installationen.
„with a view"
Wir sind konditioniert im schnellen Anschauen von Bildern, weil wir die Bilderflut um uns herum nicht anders zu verarbeiten vermögen. Gelingt es uns, sozusagen ein Bild vor unseren Augen anzuhalten und über die vorab zugebilligte Zeit zu betrachten, kommt das zustande, was der Deutsche Literat Wilhelm Genazino den gedehn-ten Blick nennt. Diese Poetik der Bildbetrachtung zitiert eine Auffassung, dass zur Nebensache gerät, was das Auge sieht, vielmehr entscheidend ist, was das Wahrgenommene beim Betrachter auszulösen vermag.
Die Konzeption der Ausstellung soll eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Wahrnehmungsmöglichkeiten bieten, im Bewusstsein, dass die Wirklichkeit, die wir zu sehen glauben, stets eine konstruierte Wirklichkeit ist.
Diese somit erfundene Wirklichkeit stellt keine Konstante dar, sondern eine historische Variable, indem sich der Begriff von der Realität abhängig macht. Im Vordergrund steht dabei die Vereinbarkeit mit einer kulturell definierten Wahrscheinlichkeit, die sich einerseits in Handlungslogiken von Realstrukturen, andererseits in Objektbeziehungen und den davon abgeleiteten Perzeptionsgewohnheiten versteht.
Seit Beginn der Neuzeit galt Realität als letzte objektive Instanz, an welche der Mensch glaubte, seine Vor-stellungen von Welt messen zu können. Erst im 20.Jahrhundert ist der Glaube nachhaltig erschüttert worden. In zunehmendem Masse wurden mechanistische und kausallogische Erklärungsmodelle, die ein statisches Kon-zept von Wirklichkeit vermitteln, widerlegt.
Der Raum versteht sich als grundlegende Komponente der Wirklichkeit, wobei diskutiert werden kann, ob der Raum unabhängig von der Wahrnehmung und Vorstellung existiert oder lediglich eine Anschauungsform des wahrnehmenden Subjektes ist.
Der Raum als solcher ist zu komplex, als dass wir ihn abschliessend verstehen könnten. Die Theorie ist zwar im-stande, den Raum zu segmentieren und zu differenzieren, letzten Endes aber nähert sich jede elaborierte Raumtheorie der Auflösung des Raumes.
In der Achse des Eintrittes in den grossen Ausstellungsraum wird ein im peppermint green quadratischer Raum (4.0x4.0m) in exakt der Höhe der übrigen raumtrennenden Wände eingebaut und diese mit je einer Öffnung (1.2x1.2m) in jeder der drei Seitenwände versehen.
Die Position der rechtsseitigen Öffnung ist eingemittet auf die verbleibende Ausstellungsfläche und ermöglicht die distanzierte Betrachtung der Objektarbeit „bluish encouragement" (System-Arbeit) und der Wand-Projek-tion der Video-Arbeit „radiating bloom". Die dem Raumeintritt gegenüberliegende Wand positioniert die Öff-nung zentral auf das dahinterliegende Wandfragment mit der Bügelperlenarbeit „reproduced ray" in unmit-telbarer Distanz für den Betrachtung. Linksseitig in der rechten Raumecke angelehnt, präsentiert sich eine wei-tere Objektarbeit „desirable glow" .
Indem die Arbeiten ausschliesslich durch die bewusst gesetzten Öffnungen zu sehen sind, wird der Betrachter einerseits auf differente Distanz zu den jeweiligen Arbeiten gehalten, andererseits werden diese stets in einem unterschiedlich räumlichen Kontext gelesen. Ausgenommen ist die im gebauten Raum zentriert in einer Vitrine präsentierte Porzellan-Arbeit „supernatural view" und dadurch auch jegliche haptische Versuchung verunmög-licht.
Im Kabinett-Raum wird die Fotoarbeit „with a view 1-5 / Berlin" mit räumlicher Betrachtungsdistanz für den Besucher gehängt.
Im Bewusstsein der verschiedenen Raumsphären zwischen einem faktischen, gebauten Raum und dem idealen Raum der individuell-gesellschaftlichen Zukunftsperspektive, die über die Grenzen des gebauten Raumes weit hinausweisen, wagen wir zumindest das Experiment wahrnehmungsdifferenter Entitäten.
im April, wiedemann/mettler
www.wiedemannmettler.ch